Ist die Abnehmspritze ein Durchbruch oder gefährliche Nebenwirkungen? Als Arzt und Spezialist für nachhaltige Abnahme & Ernährungsumstellung, habe ich sowohl persönliche als auch praktische Erfahrungen mit allen möglichen Abnehmmitteln gesammelt. Selber halte ich seit über 16 Jahren mein Gewicht und habe 14 Jahre lang Menschen dabei beraten und begleitet, ihre Ernährung umzustellen und nachhaltig abzunehmen.
In diesem Artikel teile ich meine erste fachliche Einschätzung zu den viel diskutierten Abnehmspritzen (wie Ozempic, Wegovy und Saxenda).
Warum ich als Arzt erst gegen die Abnehmspritze war – und was mich völlig umdenken ließ
Ich will dir ehrlich gestehen: Ich war ein Gegner. Ein richtig überzeugter Gegner dieser ganzen GLP-1-Medikamente. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund – ich habe genau den gleichen Denkfehler gemacht, den ich bei meinen Klienten täglich beobachte.
Ich dachte: „Das kann ja nicht so leicht sein. Da muss man sich mehr anstrengen!“
Sechzehn Jahre lang hatte ich mein Gewicht im Griff. Sechzehn Jahre, in denen ich zuerst selbst durch die Hölle des Kampfes mit dem Essen gegangen bin. Als dicker Junge, der heimlich zum Kühlschrank gerannt ist, wie ferngesteuert. Der im Sportunterricht gehänselt wurde. Der sich dann mit tausenden Stunden Recherche, Studien und Selbstversuchen aus diesem Teufelskreis herausgekämpft hat.
„Wenn ich das geschafft habe,“ dachte ich, „dann können das andere auch. Sie müssen nur endlich aufhören, nach der einfachen Lösung zu suchen und an die Ursachen gehen.“
Bis zu diesem einen Moment. Da war diese Klientin – Pharmazeutin, also medizinisch absolut versiert. Wir hatten monatelang zusammengearbeitet. Die Ergebnisse? Mittelmäßig. Frustrierend für uns beide. Sie nahm zwar nicht weiter zu in der Schwangerschaft, aber da ging definitiv mehr. Nur war es für alle Beteiligten anstrengend geworden.
Monate später schrieb sie mir. Sie hatte niedrig dosiert Semaglutid ausprobiert. Und plötzlich ging es. Nicht nur das Abnehmen – sie konnte es auch halten – ohne ständig ans Essen zu denken. Bis heute.
In diesem Moment ist mir ein Licht aufgegangen, das mein ganzes Weltbild über Abnehmen auf den Kopf gestellt hat: Was, wenn ich derjenige war, der verbohrt an überholten Überzeugungen festhielt? Was, wenn meine Geschichte vom „harten Kampf“ andere davon abhielt, einen leichteren Weg zu finden?
Was, wenn diese Medikamente genau das tun, was ich seit Jahren verbreiten will – es sich leichter machen, statt gegen Windmühlen zu kämpfen?
Was sind Abnehmspritzen?
Abnehmspritzen wie Ozempic (Semaglutid) und Saxenda (Liraglutid) gehören zur Gruppe der GLP-1-Rezeptoragonisten. Diese Medikamente wurden ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt, zeigten aber in Studien einen überraschend starken Effekt auf unser Gewicht, weil sie uns länger satt machen. Das ist eines der Kernprobleme beim nachhaltigen Abnehmen nach aktueller Forschung: Der Körper wehrt sich physiologisch gegen Gewichtsverlust durch veränderte Hormonausschüttung – wie auch die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim in ihrer Analyse erklärt. Es geht weit über reine Willenskraft hinaus.

Wie wirkt sie?
Diese Medikamente wirken, indem sie:
- Das Sättigungsgefühl verstärken
- Den Appetit reduzieren
- Die Magenentleerung verlangsamen
- Den Blutzuckerspiegel regulieren
Die Wirkung ist dabei sehr individuell und dosisabhängig. Während manche Patienten bereits bei niedrigen Dosen (0,5mg) gute Effekte spüren, benötigen andere höhere Dosen oder mehrere Wechsel bis ein passendes Medikament gefunden wird. Wichtig ist das richtige Auswählen des passende Medikaments – sowie das langsame Einschleichen, um Nebenwirkungen zu minimieren.
Für wen ist eine Behandlung mit der Abnehmspritze sinnvoll?
Die Verschreibung ist streng reguliert:
- Wegovy: Zugelassen ab einem BMI von 30, oder ab 27 mit gewichtsbedingten Begleiterkrankungen
- Ozempic: Primär für Diabetes-Patienten zugelassen
- Tirzepatide
Eine Verschreibung bei leichtem Übergewicht ist nicht vorgesehen
Welche Ergebnisse kann man durch Abnehmspritzen erwarten?
Basierend auf klinischen Studien und Praxiserfahrung:
- Gewichtsverlust von 10-15% des Ausgangsgewichts im ersten Jahr (Semaglutid – Ozempic / Wegovy)
- Beste Ergebnisse in Kombination mit Lebensstiländerungen
- Individuelle Ergebnisse können stark variieren – es gibt sogenannte „Non-Responder“ (Menschen bei denen es keine Wirkung gibt)
Risiken und Nebenwirkungen
Es ist wichtig, die möglichen Nebenwirkungen ernst zu nehmen:
- Übelkeit und Erbrechen
- Verdauungsprobleme
- Mögliche Pankreatitis
- Risiko einer Magenlähmung in schweren Fällen
- Aktuelle Untersuchungen der Europäischen Arzneimittelagentur zu möglichen Krebsrisiken
Die große Herausforderung: Langfristigkeit
Der kritischste Punkt ist die Nachhaltigkeit:
- Nach Absetzen kommt es häufig zur Gewichtszunahme
- es wird eine psychologische Abhängigkeit diskutiert
- die Kosten bei Langzeitanwendung sind auch ein häufiger Kritikpunkt
- Keine Entwicklung nachhaltiger Essgewohnheiten
Erfahrungsbericht einer Apothekerin
Als konkretes Beispiel möchte ich die Geschichte einer Klientin und Apothekerin teilen, die sowohl berufliche als auch persönliche Erfahrung mit Abnehmspritzen hat:
„Trotz meines pharmazeutischen Hintergrunds und intensiver Ernährungsberatung hatte ich Schwierigkeiten, mein Gewicht zu kontrollieren. Nach verschiedenen Ansätzen begann ich mit Semaglutid (Wegovy), startete mit 0,25mg und blieb dann bei 0,5mg pro Woche – eine niedrigere Dosis als die übliche Maximaldosis. Das war für mich der Sweet Spot zwischen Wirkung und Nebenwirkungen.
In Kombination mit anderen Therapien konnte ich etwa 10kg abnehmen. Wichtig war die Erkenntnis, dass die Spritze allein nicht alle Probleme löst – sie ist ein Werkzeug von vielen. Die anfänglichen Nebenwirkungen wie Übelkeit haben sich mit der Zeit gelegt. Was mir besonders hilft: Ich esse automatisch kleinere Portionen und habe ein besseres Sättigungsgefühl.
Meine größten Sorgen sind die Langzeitauswirkungen, besonders auf die Bauchspeicheldrüse, und die Frage der Abhängigkeit. Nach einem kurzen Absetzversuch merkte ich, wie schnell die Portionsgrößen wieder zunahmen. Deshalb kombiniere ich die Therapie jetzt mit Krafttraining, um nachhaltige Gewohnheiten aufzubauen.“
Wird sie von der Krankenkasse bezahlt?
Die Abnehmspritze wird von den gesetzlichen Krankenkassen in der Regel nicht übernommen – auch wenn ein ärztlich diagnostiziertes Übergewicht oder eine Adipositas vorliegt.
Ozempic (Wirkstoff „Semaglutid“) wird nur bei Diabetes Typ 2 von der Kasse bezahlt. Bei einem BMI über 30 oder über 27 mit Begleiterkrankungen kann Wegovy vom Arzt verschrieben werden, die Kosten von etwa 170-300€ pro Monat müssen aber meist privat getragen werden. Die GLP-1-Rezeptor-Agonisten müssen per Privatrezept besorgt werden. Einige private Krankenversicherungen übernehmen nach Einzelfallprüfung die Kosten für die Abnehm-Medikamente, wenn eine medizinische Notwendigkeit durch den behandelnden Arzt nachgewiesen wird.
Fazit
Abnehmspritzen können für bestimmte Patienten eine medizinisch sinnvolle Option sein – sie sind noch keine „magischen Pille“, aber eine starke Unterstützung für viele Patienten. Eine erfolgreiche Gewichtsreduktion erfordert immer auch Verhaltensänderungen und einen ganzheitlichen Ansatz.
Für eine persönliche Therapieempfehlung sprich bitte mit deinem behandelnden Arzt.
Disclaimer: Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information über GLP-1-Medikamente und stellt keine individuelle medizinische Beratung, Diagnose oder Behandlungsempfehlung dar. Die Entscheidung über eine Behandlung sollte immer in Abstimmung mit einem qualifizierten Arzt getroffen werden, der Ihre individuelle Situation beurteilen kann. Bei konkreten gesundheitlichen Fragen oder Beschwerden konsultieren Sie bitte Ihren
behandelnden Arzt oder Apotheker.
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