Die unterschiedlichen Abschnitte eines Muskels zu trainieren ist ein heißdiskutiertes Thema. In unzähligen Diskussionen werden alle erdenklichen Übungsvariationen durchgegangen um den gewünschten Teil des Körpers endlich zum Wachsen zu kriegen. Was ist wirklich dran?
Ein sehr häufiger Fehler ist es nicht zwischen Muskelgruppen und einzelnen Muskeln (und ihren Faserverläufen) zu unterscheiden.
Bei Muskelgruppen (wie dem Bizeps, dem Quadrizeps oder der Ischiokruralmuskulatur – engl. “Hamstrings”) arbeiten mehrere Muskeln zusammen in einer Bewegung. Hierbei kannst du dir leicht vorstellen, dass je nach Ausführung einzelne Muskeln unterschiedlich belastet werden.
Der Bizeps beispielsweise besteht (wie der Name schon sagt) aus 2 (“Bi”) verschiedenen Muskeln: Caput Longum und Caput Breve.
Der lange Kopf zieht über das Schultergelenk und weiter außen (“lateral”). Also dient er eher der Beugung in der Schulter (“Anteversion”).
Wenn du bei Bizeps Curls den Ellenbogen vor dem Körper hast, wirst du relativ gesehen eher den kurzen Kopf (Caput Breve) treffen. Hast du den Ellenbogen hinter dem Körper wirst du den langen Kopf (Caput Longum) relativ stärker belasten. Auch deine Handposition und Griffweite (Langhantelcurls) können einen Unterschied ausmachen. Je mehr der kleine Finger nach oben zeigt und je breiter der Griff desto stärker wird der innere, kurze Kopf (Caput Breve) des Bizeps belastet.
Der Effekt ist also sehr stark, wenn nur ein Teil der Muskelgruppe über ein Gelenk zieht.
Auch zu sehen beim Triceps. Der lange Kopf (Caput longum) zieht (im Gegensatz zu den beiden anderen Köpfen) über das Schultergelenk zum Schulterblatt. Damit ist er auch in die Bewegung des Oberarms hinter den Körper involviert (“Retroversion”). Deswegen kann deine Leistung beim Rudern deine Leistung beim Bankdrücken beeinträchtigen, sofern du keine längere Pause zwischen den Sätzen lässt.
Bei einzelnen Muskeln sieht das ganze schon anders aus. Hier haben wir zwar verschiedene Faserverläufe wie z.B. beim Latissimus eher vertikale und eher horizontale Anteile. Diese werden durchaus unterschiedlich stark aktiviert, je nach Übungsausführung z.B. bei unterschiedlichen Rudervariationen.
Aber oft wird hier auch Unsinn erzählt. Da werden Faserverläufe erfunden oder erraten, weil man sich nicht die Faserverläufe des Muskels genau angeschaut hat. Ein gutes Beispiel dafür ist den inneren Teil des Brustmuskel (Pectoralis Major) “isoliert” zu treffen. Die Fasern laufen hier nicht von oben nach unten (vertikal). Also ist es NICHT möglich diese Bestandteile isoliert (oder relativ stärker) zu trainieren.
Aber eine unterschiedlich starke Belastung von oberem und unteren Anteil des Brustmuskels (Pectoralis Major) ist durchaus möglich. Viele erleben einen Unterschied im Wachstum zwischen Negativ-Bankdrücken (unterer Anteil des Pectoralis Major) und Schrägbankdrücken (oberer Anteil des Pectoralis Major).
Ist das ganze überhaupt wichtig für dich?
Die wenigsten Trainierenden sollten sich mit so etwas beschäftigen. Gerade nicht als Anfänger (siehe Kraftstandards Männer & Frauen). Statt jedes Detail genaustens zu analysieren (Warnung!: Paralysis Analysis) reicht es die Muskelgruppe mit schwerem, progressivem Krafttraining zu belasten. Insgesamt solltest du erstmal eine solide Basis aufbauen, denn dein ganzer Körper ist noch eine Schwachstelle.
Diese Details werden erst wirklich interessant, wenn du ein(e) (semi)professioneller Bodybuilder(in) oder Fitnessmodel bist.